Hintergrund
CT-proAVP (Copeptin) ist ein Glykopeptid aus 39 Aminosäuren, das den C-terminalen Teil des Prä-Pro-Vasopressins bildet. Dieses Vorläufermolekül wird im Hypothalamus gebildet, die äquimolar freigesetzten Spaltprodukte Vasopressin (ADH) und CT-proAVP werden anschließend im Hypophysenhinterlappen (HHL) gespeichert.
Hauptstimulus für die ADH-Freisetzung ist ein Anstieg der Plasmaosmolalität. In den Epithelzellen der renalen Sammelrohre bewirkt ADH nach Bindung an den ADH-V2-Rezeptor einen verstärkten Einbau von Wasserkanälen (Aquaporin 2) in die Zellmembranen und dadurch eine erhöhte Wasserrückresorption. Resultat ist ein Anstieg der Urinosmolalität (Urin-Konzentrierung) und ein Abfall der Plasmaosmolalität.
CT-proAVP ist sehr stabil und mit weniger Aufwand als ADH messbar. Es reagiert auf Osmolalitäts- und Volumenänderungen vergleichbar mit Vasopressin und korreliert besser als Vasopressin mit der Serum-Osmolalität. In der Differentialdiagnostik des Polyurie-Polydipsie-Syndroms ist es dem ADH überlegen und ermöglicht schon aufgrund des Basalwertes eine Unterscheidung zwischen zentralem und renalem Diabetes insipidus, der CT-proAVP-Anstieg im Durstversuch erlaubt die Differenzierung von primärer Polydipsie und zentralem Diabetes insipidus.
Erkrankungen
Beim SIADH (Syndrome of inappropriate ADH secretion, Schwartz-Bartter-Syndrom) kommt es zu einer erhöhten ADH-Freisetzung infolge diverser Grunderkrankungen (paraneoplastisch vor allem beim kleinzelligen Bronchialkarzinom, Lungenerkrankungen, Erkrankungen des ZNS). Resultat ist eine Vermehrung des Gesamtkörperwassers mit sekundärer Hyponatriämie und daraus resultierender neuropsychiatrischer Symptomatik. Grundlage für die Diagnose ist eine verminderte Plasmaosmolalität (< 270 mosmol/kg), eine Hyponatriämie (< 135 mmol/l) und ein hyperosmolarer Harn (> 337 mosmol/kg, Na im Harn > 20 mmol/l).
Beim zentralen Diabetes insipidus führt eine fehlende oder mangelhafte ADH-Sekretion zur Ausscheidung großer Mengen eines hypotonen Harns. Ursache sind meist verschiedene Grunderkrankungen (Hirntumoren, meningeale Infektionen, neurochirurgische Eingriffe, Hypothyreose) und seltener genetisch bedingte Synthesedefekte (1 - 2 %). Therapeutisch können synthetische ADH-Analoga (Minirin®) eingesetzt werden.
Beim renalen Diabetes insipidus ist die Polyurie durch eine beeinträchtigte Wirkung des ADH in der Niere trotz normaler oder erhöhter ADH-Plasmakonzentration bedingt. Ursache können Nierenerkrankungen, Medikamente (Lithium) sowie genetische Defekte des ADH-V2-Rezeptors (X-chromosomal-rezessiv) oder des Wasserkanals Aquaporin 2 sein.
Bewertung
Basalwerte (morgens, nüchtern, nach 8 h ohne Flüssigkeitsaufnahme) unter 2,7 pmol/l sprechen für einen zentralen Diabetes insipidus totalis, Werte über 20 pmol/l für einen renalen Diabetes insipidus.
Bei Werten zwischen 2,7 und 20 pmol/l erfolgt eine zweite Blutabnahme nach 16 h ohne Flüssigkeitsaufnahme (und nüchtern) zur Bestimmung von CT-proAVP und Natrium. Aus der Differenz der CT-proAVP-Werte nach 8 h und 16 h Dehydration und dem 16 h-Natriumwert wird der CT-proAVP-Index berechnet. Beim zentralen Diabetes insipidus partialis liegt der Index-Wert unter 20, bei primärer Polydipsie über 20.
Frühdiagnose eines Myokardinfarkts: Als Marker für einen akuten endogenen Stress steigt die CT-proAVP-Konzentration unmittelbar nach Auftreten eines akuten Myokardinfarkts an und sinkt dann stetig ab. In Kombination mit einem Troponintest ist ein Myokardinfarkt ca. 6 h früher auszuschließen als bei alleiniger Troponinmessung.
Zukünftig könnte der Marker auch zur Bewertung einer Herzinsuffizienz geeignet sein. Erste Studien lassen eine inverse Korrelation zwischen linksventrikulärer Auswurffraktion und Höhe des CT-proAVP-Spiegels erkennen. CT-proAVP hat dabei eine diagnostische Sensitivität, die mit der von NT-proBNP vergleichbar ist.
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