Immunitätsabklärung (Antikörperbestimmmung vor/nach Impfung)

Impfung, Impftiter

Kategorie Lexikon
Stand30.08.2010
MaterialSerum
Zusatzinformation
Hintergrund
Impfungen stellen die wirksamste Maßnahme zur Prävention von Infektionserkrankungen dar.
Die Grundimmunisierung  sollte nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) durchgeführt werden. Nach der vollständigen Grundimmunisierung ist durch regelmäßige Auffrischimpfungen sicherzustellen, dass der Immunschutz erhalten bleibt bzw. erneuert wird.
Zur Abklärung der Frage nach Immunität nach Infektion oder Impfung können Antikörper (IgG-AK oder Gesamt-AK) gegen viele Erreger impfpräventabler Erkran­kungen bestimmt werden.
Generell ist zu beachten, dass eine differenzierte Beurteilung der Laborergebnisse nur in Kenntnis der Anzahl und des Zeitpunkts der verabreichten Impfungen erfolgen kann. Bei der Beurteilung sind ferner stets die empfohlenen Impf­abstände der STIKO bzw. der Impfstoff­hersteller zu beachten.  
Auch bei nicht-impfpräventablen Erkrankungen kann die Bestimmung von IgG-Antikörpern zur Beurteilung einer Immunität aufgrund einer früher durchgemachten Infektion sinnvoll sein. Indikationen umfassen die Immunitätsabklärung bei Mitarbeitern im Gesundheitsdienst, in der Kinderbetreuung etc.
 
Diphtherie Toxin IgG
Es werden IgG-AK gegen Diphtherietoxoid bestimmt. Der Test erlaubt die Beurteilung des Immunschutzes nach Impfung, jedoch nicht den Nachweis einer akuten Diphtherie-Infektion. Der Anti­toxin-Gehalt in Interna­tio­nalen Units pro Milliliter (IU/ml) bezieht sich auf das Internationale Standardserum des Statens Serum Institut in Kopenhagen, Dänemark, dessen Toxin-neutrali­­sierende Aktivität im Neutralisationstest bestimmt wurde.
Antitoxin-Gehalt                      Beurteilung                 
 <0,05 IU/ml          Kein Schutz, Grundimmunisierung empfohlen
 0,05 bis <0,1 IU/ml  Minimaler Schutz, Auffrischung empfohlen              
 0,1 bis 1,0 IU/ml    Sicherer Schutz, Auffrischung derzeit nicht erforderlich*
 > 1,0 IU/ml          Langzeitschutz, Auffrischung derzeit nicht erforderlich*
                         
*Bei Vorliegen eines sicheren Schutzes bzw. Langzeitschutzes sind genaue Vorhersagen zur Dauer des bestehenden Schutzes nicht möglich. Es empfiehlt sich, abhängig vom Antitoxin-Gehalt, eine erneute Kontrolle in 3 - 5 Jahren durchzuführen.
 
Die AK-Bestimmung gegen Diphtherie kann auch zur Beurteilung der Immun­funktion bei Verdacht auf humoralen Immundefekt sowie zur Beurteilung eines Impferfolgs bei Patienten mit Immundefizienz (Impftiterbestimmung vor und nach Impfung!) sinnvoll sein.
 
FSME-Virus IgG
IgG-AK gegen das FSME-Virus können sowohl nach Immunisierung als auch nach FSME-Erkrankung nachgewiesen werden. Es ist zu beachten, dass Kreuzreaktionen mit anderen Flaviviren, wie Gelbfieber-, Dengue-, Japan B-Enzephalitis- und Hepatitis C-Viren, vorkommen und bei entsprechender klinischer Vorgeschichte oder Impfanamnese berücksichtigt werden müssen.
Die im ELISA gemessenen AK-Konzentrationen spiegeln nicht die virusneutralisierende Wirkung der AK wider, und es liegen keine validierten Grenzwerte für die Interpretation der im ELISA gemessenen AK-Konzentration in Bezug auf den Immunschutz vor. Grundsätzlich sind die Angaben der Impfstoffshersteller bzgl. Zeitpunkte der Auffrischimpfung zu beachten.
Eine durchgemachte FSME-Infektion schützt lebenslang vor einer erneuten FSME-Infektion.
 
Hepatitis-A-Virus AK
Ein Nachweis von Hepatitis-A-Virus-spezifischen AK nach zurückliegender Hepatitis A-Infektion zeigt eine Immunität an.
Eine serologische Vortestung vor geplanter Hepatitis A-Impfung wird empfohlen bei Per­sonen, die länger in Endemiegebieten gelebt haben, in Familien aus Endemiegebieten aufgewachsen sind oder die vor 1950 geboren wurden. Bei Nachweis von Anti-Hepatitis-A-AK kann auf die Impfung verzichtet werden. Eine routinemäßige Kontrolle der Antikörpertiter nach Hepatitis A-Impfung ist nicht indiziert.
 
Hepatitis-B-Virus (Anti-HBs)
Zur Beurteilung der Immunität und des Erfolgs einer Hepatitis-B-Impfung steht die Bestimmung von Anti-HBs-AK zur Verfügung. Diese sollten 4 - 8 Wochen nach Beendigung der Grund­immuni­sierung bestimmt werden.
 
Anti-HBs Beurteilung bei Titerkontrolle nach abgeschlossener Grundimmunisierung (nach STIKO)
< 10 IU/l Keine Immunität, Bestimmung von HBsAg und Anti-HBc zum Ausschluss einer chronischen Hepatitis B; wenn negativ, erneute Impfung und Titerkontrolle nach 4 - 8 Wochen
10 - 99 IU/l Low-Responder: erneute Impfung und Titerkontrolle nach 4 - 8 Wochen
>= 100 IU/l Immunität anzunehmen, keine weiteren Impfungen und Titerkontrollen erforderlich; Ausnahme: Patienten mit humoraler Immundefizienz
(jährliche Anti-HBs-Kontrolle, Auffrischimpfung wenn Anti-HBs < 100 IE/l), ggf. Personen mit besonders hohem individuellem
Expositionsrisiko (Anti-HBs-Kontrolle nach 10 Jahren, Auffrischimpfung wenn Anti-HBs < 100 IE/l)             
 
Masern-Virus IgG
Nach zurückliegender Masern-Infektion oder -Impfung zeigen nachweisbare Masernvirus-spezifische IgG-AK (> 150 mIU/ml in dem von unserem Labor verwendeten ELISA-Test) eine Immunität und damit einen Schutz vor Reinfektion an.
Bei zwei dokumentierten Masern-Impfungen kann unabhängig vom Masern-IgG-Titer von einem Impfschutz ausgegangen werden.
 
Mumps-Virus IgG
Der Nachweis von Mumps-Virus-spezifischen IgG-AK zeigt einen früheren Kontakt zu Mumps-Virus oder eine zurückliegende Immunisierung an. Die im ELISA gemessenen Antikörpertiter spiegeln nicht die virusneutralisierende Funktion von Antikörpern wider. Unabhängig vom Messwert kann bei zwei dokumentierten Impfungen von einem besseren Schutz vor der Erkrankung ausgegangen werden als bei Ungeimpften oder nur einmal Geimpften.
  
Pertussis-Toxin IgG
Es werden AK gegen das Toxin (PT) von Bordetella pertussis nachgewiesen. Der AK-Gehalt in Units pro Milliliter (U/ml) bezieht sich auf das „U.S. Reference Pertussis Antiserum (human) Lot 3“ des Center for Biologics Evaluation and Research, Food and Drug Administration.
Die Bestimmung von Bordetella pertussis-spezifischen IgG-AK gegen das Pertussis-Toxin ermöglicht den Nachweis einer kürzlich oder länger zurückliegenden Pertussis-Infektion oder Impfung. Es sind jedoch keine Grenz­werte für die Beurteilung der Antikörper in Bezug auf den Immun­schutz definiert.
Die AK-Bestimmung gegen Bordetella pertussis kann zur Beurteilung der Immun­funktion bei Verdacht auf humoralen Immundefekt sowie zur Beurteilung eines Impferfolgs bei Patienten mit Immundefizienz (Impftiterbestimmung vor und nach Impfung!) sinnvoll sein.
 
Poliomyelitis-Virus AK
Es werden AK gegen Poliovirus Typ 1 und 3 im Neutralisationstest bestimmt. Ein Titer ab 1:8 zeigt eine Immunität gegen den jeweiligen Poliovirus-Typ an.
Neben der Abklärung fraglicher Immunität kann die AK-Bestimmung gegen Polioviren auch zur Beurteilung der Immunfunktion bei Verdacht auf humoralen Immundefekt sowie zur Beurteilung eines Impferfolgs bei Patienten mit Immundefizienz (Impftiterbestimmung vor und nach Impfung!) sinnvoll sein.
 
Röteln-Virus IgG
Zur Beurteilung der Immunität gegen Röteln werden IgG-AK im  Immunoassay bestimmt.  
Beurteilung
< 9 IU/ml     Keine Immunität, Immunisierung empfohlen*
9 – 14 IU/ml  Fragliche Immunität, Immunisierung empfohlen*
>= 15 IU/ml   Immunität anzunehmen
*Bei Frauen mit Kinderwunsch bzw. im gebärfähigen Alter und Personen mit beruflichem Risiko gemäß STIKO-Empfehlung, wenn nicht zwei Röteln-Impfungen dokumentiert sind.
 
Tetanus Toxoid IgG
Es werden IgG-AK gegen Tetanustoxoid bestimmt. Der Test erlaubt die Beurteilung des Immunschutzes nach Impfung, jedoch nicht den Nachweis einer akuten Tetanus-Infektion. Der Anti­toxin-Gehalt in Interna­tio­nalen Units pro Milliliter (IU/ml) bezieht sich auf den 1. Inter­natio­nalen Standard für Tetanus Immunglobulin, Human (Code: TE-3).
Beurteilung
< 0,1 IU/ml      Keine Immunität, bei vollständiger Grundimmunisierung Auffrischung und Kontrolle nach 2-3 Wochen empfohlen, bei Ungeimpften vollständige Grundimmunisierung
0,11 – 0,5 IU/ml Immunität anzunehmen, Kontrolle nach 2 Jahren empfohlen, Auffrischung  führt zu längerfristigem Schutz
0,51 – 1,0 IU/ml Immunität anzunehmen, Kontrolle in 2-5 Jahren*
1,1 – 5,0 IU/ml  Immunität anzunehmen, Kontrolle in 5-10 Jahren*
> 5,0 IU/ml      Langzeitschutz, Kontrolle in 10 Jahren*
* Bei einem Antitoxin-Gehalt > 0,5 IU/ml geht eine Auffrischimpfung mit einem erhöhten Risiko lokaler Nebenwirkungen einher!
 
Tollwut-Virus AK
Nach Impfung können Tollwut-Virus-spezifische AK im Neutralisationstest im Konsiliarlaboratorium für Tollwut nachge­wiesen werden. Ab einem Titer von 1:100, entsprechend einer Antikörper-Konzentration von 0,5 IE/ml, ist Immunität anzunehmen.
Eine Tollwut-AK-Bestimmung ist jedoch nur in Sonderfällen indiziert, beispielsweise bei beruflich exponierten Personen mit wieder­kehren­der Impfindikation.
 
Varizella-Zoster-Virus IgG
Nach zurückliegender Varizellen-Infektion oder zweimaliger Varizellen-Impfung zeigen nachweisbare Varizella-Zoster-Virus(VZV)-spezifische IgG-AK eine Immunität und damit einen Schutz vor einer erneuten bzw. Primärinfektion an.
Bei nachweisbarem VZV-IgG-AK nach nur einer Impfung sollte dennoch die zweite Impfung erfolgen, um den Schutz zu optimieren.
Grenzwertige oder negative VZV-IgG-Ak bei Ungeimpften oder bei Personen mit einmaliger Impfung sind als nicht schützend anzusehen. Bei grenzwertigen oder negativen VZV-IgG-AK nach zweifacher Impfung kann gegenwärtig keine Aussage über den Immunschutz getroffen werden.
 
Literatur
  1. Robert-Koch-Institut: Populationsimmunität gegen Diphtherie und Pertussis. Epidem Bull 1999, 1: 1-4.  (30)
  2. World Health Organization: Manual fort he Laboratory Diagnosis of Diphtherie: The Expanded Programme on Immunization in the European Region of WHO, Copenhagen, 1994, ICP/EP/038. (29)
  3. Comberg M, Protzer U, Dollinger MM, Petersen J, Wedemeyer H, Berg T, Jilg W, Erhardt A, Wirth S, Schirmacher P, Fleig WE, Manns MP: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis B-Virus (HBV)-Infektion. Upgrade der Leitlinie, AWMF-Register.Nr.: 021/011. Z Gastroenterol 2007, 45: 1-50.  (5)
  4. Robert-Koch-Institut: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut/Stand: Juli 2009. Epidem Bull 2009, 30: 279-298.