> 540 ng/l Vitamin B12-Mangel bei Nierengesunden
unwahrscheinlich. Bei renaler Dysfunktion ist
die Bestimmung der Methylmalonsäure zu
empfehlen.
210 - 540 ng/l Graubereich, zusätzl. Bestimmung von
Holotranscobalamin ("aktives Vitamin B12")
Methylmalonsäure und ggf. Homocystein
sinnvoll
< 210 ng/l Vitamin B12-Mangel
Bei V.a. perniziöse Anämie AK gg Intrinsic
Faktor und Parietalzellen zusätzlich sinnvoll |
Hintergrund
Der Weg des mit der Nahrung (Fleisch, Fisch, Milch, Käse, Eier) aufgenommenen Vitamin B12 in die Zielzellen ist sehr komplex. Proteingebundenes Vitamin B12 wird zunächst im Magen freigesetzt und an Haptocorrin gebunden, das im Dünndarm gegen den Intrinsic-Faktor (IF) aus den gastralen Parietalzellen ausgetauscht wird. Die Epithelzellen des distalen Dünndarms internalisieren den IF-Vitamin B12-Komplex über einen calciumabhängigen Rezeptor, bauen den IF ab und sezernieren das freie Vitamin B12 in die Blutbahn. Dort bindet es an zwei Proteine, das Haptocorrin (75-90 %) und das Transcobalamin (10-25 %), wobei letzterer Komplex auch als Holotranscobalamin (HoloTC) bezeichnet wird. Nur das HoloTC kann von den Zielzellen aufgenommen werden und gilt deshalb als das eigentlich "aktive Vitamin B12". Intrazellulär erfolgt der lysosomale Abbau des HoloTC mit der Bildung von freiem Vitamin B12, das letztendlich in seine aktiven Formen Methylcobalamin und Adenosylcobalamin überführt wird. Methylcobalamin ist als Kofaktor der cytosolischen Methioninsynthase essentiell für die Remethylierung von Homocystein (HCY) zu Methionin, die mit der Regenerierung aktiver Folsäure (Tetrahydrofolat) gekoppelt ist. Methionin fungiert als wichtigster Methylgruppendonator für zahlreiche Methylierungsreaktionen (Nukleinsäuren, Myelin, Proteine, Neurotransmitter, Phospholipide). Folsäure ist für den Ein-Kohlenstoff (C1)-Transfer und somit für die DNA-Biosynthese unerlässlich. Vitamin B12 und Folsäure benötigen sich gegenseitig, so dass bei Vitamin B12-Mangel ein intrazellulärer Folatmangel selbst bei hoher Folsäure im Serum entstehen kann (Folatfalle!). Adenosylcobalamin ist als Kofaktor der mitochondrialen Methylmalonyl-CoA-Mutase bei der Umwandlung von Methylmalonyl-CoA zu Succinyl-CoA beteiligt. Ein Anstieg der Methylmalonsäure (MMA) und/oder des HCY kann deshalb als diagnostisches Kriterium eines funktionellen, intrazellulären Vitamin B12-Mangels genutzt werden. MMA ist ein spezifischer und sensitiver Indikator für den Vitamin B12-Mangel, während bei HCY-Erhöhungen auch ein zusätzlicher Folsäure- und Vitamin B6-Mangel involviert sein kann.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine Aufnahme von 3 µg Vitamin B12 pro Tag. Ältere Menschen und Schwangere haben jedoch einen höheren Bedarf.
Vitamin B12-Mangel
Häufigste Ursachen eines Vitamin B12-Mangels sind die alimentäre Unterversorgung und die Malabsorption unterschiedlichster Genese. Seltene genetische Defekte an verschiedenen Stellen des Vitamin B12-Stoffwechsels sind ebenfalls beschrieben. Wegen der großen hepatischen Speicher entwickelt sich ein Vitamin B12-Mangel verzögert und schleichend oft über mehrere Jahre. Betroffen sind Erythropoese, das Nervensystem (Proliferation, Reifung und Regeneration von Nervenzellen, Bildung und Erhaltung der Myelinscheide) sowie der Homocysteinspiegel als allgemeiner Risikofaktor. Die megaloblastäre Anämie gilt als Spätmanifestation eines Vitamin B12-Mangels. Teilweise schon Jahre vor der Anämie können Symptome neuropsychiatrischer Erkrankungen (funikuläre Myelose, Parästhesien, Blässe, Müdigkeit, Depression, kognitive Störungen, Demenz) auftreten, die bei zu später Behandlung irreversibel sind.
Diagnostisches Vorgehen
Es gibt keinen Einzelparameter für die zuverlässige Diagnostik eines Vitamin B12-Mangels. Mehr Sicherheit bietet die kombinierte Anwendung von Vitamin B12, HoloTC (frühester Marker), MMA und HCY.
Differentialdiagnose bei Vitamin B12-Mangel
- alimentäre Unterversorgung (vegane Ernährung, ältere Menschen)
- erworbener IF-Mangel (altersbedingter Magensekretionsverlust, chronisch atrophische Gastritis, Autoimmungastritis (AK gegen Parietalzellen und/oder IF, Magenresektion)
- Medikamente (Protonenpumpenhemmer, H2-Antihistaminika, Metformin)
- Malabsorptionsyndrom (Erkrankungen des terminalen Ileums, M. Crohn, chronischer Alkoholismus, Zöliakie, exokrine Pankreasinsuffizienz)
- erhöhter Verlust (schwere chronische Leber- und Nierenerkrankungen)
- erhöhter Verbrauch (bakterielle Fehlbesiedlung des Darms, Fischbandwurmbefall)
- genetische Defekte im Vitamin B12-Stoffwechsel (angeborener IF-Mangel, Transcobalamin, Transcobalamin-Rezeptor, intrazelluläre Prozessierung mit Bildung der Kofaktoren).
Differentialdiagnose bei erhöhtem Vitamin B12-Spiegel
- Therapie mit Vitamin B12
- Leberzelluntergang unterschiedlicher Genese
- Malignome mit Lebermetastasen
- myeloproliferative Erkrankungen (Leukämien, Myelosklerose, Polycythaemia vera)
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