Hintergrund
Vitamin A ist ein Sammelbegriff für fettlösliche Vitamine, zu denen Retinol, dessen Ester (Retinylacetat, Retinylpalmitat, Retinylpropionat) sowie deren aktive Metaboliten Retinal (Retinaldehyd) und Retinsäure gehören. Der Vitamin A-Bedarf wird bei ausgewogener Ernährung zu ca. 2/3 aus dem Abbau pflanzlicher Carotinoiden (Provitamin A) in den Zellen der Darmmukosa und zu ca. 1/3 aus direkten Quellen tierischen Ursprungs (Leber, Butter, Eigelb, Milchprodukte) gedeckt. Das gesamte resorbierte Retinol wird über die Chylomikronen zur Leber transportiert, wo es kurzfristig in den Parenchymzellen und langfristig in perisinusoidalen Stellatumzellen (Synonyme: Fettspeicherzellen, Sternzellen, Ito-Zellen, Perizyten) gespeichert wird. Der Transport des Retinols aus der Leber zu den Zielzellen erfolgt durch das Retinolbindende Protein (RBP). In den Zellen beeinflusst Retinol und Retinsäure durch Bindung an nukleare Retinsäurerezeptoren die Synthese zahlreicher Proteine. Vitamin A ist unter anderem für die Regulation folgender Prozesse wichtig: Sehvorgang, Wachstum und Differenzierung von Epithel- und Knochengewebe, Testosteronsynthese, Immunglobulinsynthese, Glykoprotein- und Mucopolysaccharidsynthese, Schutz der Epithelien vor Infekten, Tumorgenese.
Klinische Bedeutung
Ein Vitamin A-Mangel kann primär durch eine alimentäre Unterversorgung (wichtigster Vitaminmangelzustand in den Entwicklungsländern weltweit) oder sekundär als Folge einer Beeinträchtigung von Resorption (gestörte Fettresorption und/oder Gallensäurensekretion), Speicherung, Transport oder RBP-Synthese (Leberinsuffizienz) entstehen. Klinisch manifestieren sich Mangelerscheinungen wie folgt: degenerative Veränderungen an Retina, Haut und im Hals-, Nasen- und Ohrenbereich, Verlangsamung der Dunkeladaption bis hin zur Nachtblindheit, Hyperkeratose an Haut und Schleimhäuten mit verminderter Drüsensekretion, gehäufte Infekte, Fertilitätsstörungen, im Spätstadium Xerophthalmie mit Erblindung, Knochenwuchsstörung (Kinder), fetale Missbildungen.
Eine Vitamin A-Hypervitaminose kann sich in Folge einer Vitamin A-Überdosierung (z. B. bei Akne-Therapie) als akute Vergiftung (Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen) oder chronische Vergiftung (Anorexie, Appetitverlust, Schlafstörungen, Juckreiz, Mundwinkelrhagaden, Haarausfall, Sehstörungen, fetalen Missbildungen) äußern. Eine Intoxikation mit Carotinen kommt nicht vor, da bei einem Überangebot deren Umwandlung zu Vitamin A gedrosselt wird.
Diagnostische Bedeutung
Der Vitamin A-Spiegel im Serum ist insbesondere bei einer beginnenden Hypovitaminose wegen der homöostatischen Regulation und der hohen Speicherkapazität der Leber diagnostisch nur eingeschränkt verwertbar.
Bewertung
< 0,1 mg/l ausgeprägter Vitamin A-Mangel
0,1 - 0,2 mg/l beginnender Vitamin A-Mangel
> 1,4 mg/l toxischer Bereich |