Hintergrund
Thyroxin (T4, Tetrajodthyronin) ist das Hauptsyntheseprodukt der Schilddrüse (SD). Es kann als Prohormon betrachtet werden, aus dem in der Körperperipherie das deutlich wirksamere Trijodthyronin (T3) gebildet wird. Die biologische HWZ von T4 liegt bei 7 - 8 Tagen. Im Plasma ist T4 zu 99,97 % an Trägerproteine (Thyroxin-bindendes Globulin (TBG), Präalbumin, Albumin) gebunden, nur der freie Hormonanteil (FT4) ist biologisch aktiv.
Die Indikationen für die Bestimmung von TT4/FT4 umfassen u. a. die Therapiekontrolle bei konnataler Struma (neben TSH), den Nachweis einer manifesten Hyperthyreose (mit TT3/FT3 wegen isolierter T3-Hyperthyreosen!) und die Therapiekontrolle bei thyreostatischer Therapie. Bei den beiden letzten Indikationen sollte bevorzugt die FT4-Bestimmung durchgeführt werden!
Bewertung
• Bei manifester Hyperthyreose ist TT4/FT4 im Allgemeinen erhöht, bei ausgeprägter Hypothyreose erniedrigt.
• Unter Thyroxin (L-T4)-Therapie ist TT4/FT4 wegen der langen HWZ häufig erhöht, eine Überdosierung muss über die Bestimmung von TSH und TT3/FT3 abgeklärt werden.
• Wegen der hohen Proteinbindung ist TT4 stark von Veränderungen der Bindungsproteine abhängig. Vermehrung der Bindungsproteine führt zu erhöhten TT4-Werten bei normalem FT4, Verminderung der Bindungskapazität zu erniedrigten TT4-Werten bei normalem FT4. Bei Verminderung der Bindungskapazität können auch bei manifester Hyperthyreose normale TT4-Werte gemessen werden, Vermehrung der Bindungsproteine kann eine Hypothyreose kaschieren. Die FT4-Bestimmung ist in diesen Fällen aussagekräftiger! Außerdem sollte zur Funktionsdiagnostik immer der TSH-Basalwert bestimmt werden!
Eine Vermehrung der Bindungsproteine findet sich
• unter Östrogeneinfluss (Ovulationshemmer, Gravidität)
• bei Hepatopathien
• bei angeborener TBG-Vermehrung
• bei Gabe von Opiaten, Clofibrat, 5-Fluorouracil, Tamoxifen u. a.
Eine Verminderung der Bindungskapazität kommt vor bei
• Dysproteinämien mit erniedrigtem Gesamteiweiß (z. B. bei Leberzirrhose, konsumierenden Erkrankungen, nephrotischem Syndrom, enteralem Proteinverlust, Dialysetherapie)
• angeborenem TBG-Mangel
• Nulldiät (freie Fettsäuren erhöht)
• kompetitiver Besetzung der Bindungsproteine durch Pharmaka, z. B. Salicylate, Heparin, Sulfonamide, Diphenylhydantoin, Phenylbutazon, Steroide, Carbamazepin.
Die Bestimmung des FT4 ist der alleinigen Bestimmung des TT4 vorzuziehen, da die Hormonaktivität auch bei Veränderungen in der Proteinbindung beurteilt werden kann. Im ambulanten Bereich kann TT4 nach dem EBM nicht abgerechnet werden. Massive Dysproteinämien mit starken Veränderungen der Albumin-Bindung können jedoch auch bei der FT4-Bestimmung Schwierigkeiten bereiten und zu erhöhten FT4-Werten führen. Bei schweren nichtthyreoidalen Erkrankungen müssen deshalb alle verfügbaren SD-Parameter berücksichtigt werden! Auch unter Heparin-Therapie, bei diabetischer Ketoazidose und bei Hungerzuständen kann es durch Freisetzung freier Fettsäuren, die die SD-Hormone aus der Proteinbindung verdrängen, zu falsch hohen Werten kommen, ebenso unter Amiodaron-Therapie und unter hochdosierter Therapie mit Azetylsalizylsäure, Phenytoin, Phenobarbital und Carbamazepin. |