Hintergrund
Die Retikulozyten entstehen im Knochenmark aus den Erythroblasten. Nach 4 Tagen verlässt der Retikulozyt normalerweise das Knochenmark und reift an einem Tag im peripheren Blut zum Erythrozyten.
Bewertung
In der Anämiediagnostik geben die Retikulozyten wichtige Hinweise auf die Regenerationsleistung des Knochenmarks. Der Retikulozytenanteil im Blutbild ist hierfür allerdings nur bedingt geeignet.
Bei einer Anämie kommt es zu einer Stressreaktion des Knochenmarks.
Die Retikulozyten bleiben dann nicht mehr 4 Tage im Knochenmark, sondern werden vorzeitig aus dem Knochenmark ins periphere Blut ausgeschwemmt, wo sie dann entsprechend länger zu Erythrozyten heranreifen. Das Ausmaß dieser Verlagerung der Retikulozytenreifung vom Knochenmark ins periphere Blut ist vom Schweregrad der Anämie abhängig. Die Reifungszeit der Retikulozyten im peripheren Blut wird als Shift angegeben. Mit Hilfe dieses Shift-Wertes kann der Retikulozytenproduktionsindex (RPI) bestimmt werden:
RPI = Reti[%] x Hk[%] / Shift[Tage] x 45
Der Shift bestimmt sich aus dem Hämatokrit-Wert:
Shift = 1 Tag bei Hämatokrit 45 %, 1,5 Tage bei Hämatokrit 35 %, 2 Tage bei Hämatokrit 25 %, 3 Tage bei Hämatokrit 15 %.
Der Normalwert des RPI liegt um 2,
ein RPI > 3 weist auf eine hyperregenerative Erythropoese,
ein RPI < 2 weist auf eine hyporegenerative Erythropoese (d. h. das Knochenmark kann die Anämie nicht ausgleichen) hin.
Einflussfaktoren
Bei einer gestörten Schrankenfunktion durch myeloproliferative Erkrankungen oder Knochenmarkskarzinose mit leukoerythroblastischem Blutbild und bei extramedullärer Blutbildung ist der RPI nicht verwertbar. |