Hintergrund
Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ II (HIT-II) ist eine unerwünschte Antikörper-vermittelte Thrombozytopenie und stellt eine mitunter lebensbedrohliche immunologische Reaktion auf die Gabe von unfraktioniertem Heparin dar (bei niedermolekularem, fraktioniertem Heparin 10-mal seltener). Die Häufigkeit beträgt 0,2 - 1,0 % heparinisierter Patienten. Unter Heparingabe kann es in 10 - 20 % dieser Patienten zu paradoxen thromboembolischen Komplikationen (venöse oder arterielle Thrombosen oder Lungenembolien) kommen. Typischerweise tritt ein Thrombozytenabfall um > 50 % des Ausgangswertes ca. 5 -14 Tage nach Beginn der Heparingabe auf, kann aber schon sehr viel früher einsetzen (ab ca. 11 Stunden), wenn der Patient innerhalb der letzten 100 Tage schon einmal Heparin erhalten hatte (rapid onset HIT Typ II) Pathogenetisch sind es vor allem Autoantikörper gegen einen Komplex aus Plättchenfaktor 4 und Heparin, die zur Thrombozytopenie und vermehrter Thrombinbildung führen.
DD zu HIT Typ I : unkomplizierte, nicht immunologisch vermittelte Form, bei ca. 10 % aller heparintherapierten Patienten (innerhalb 1-2 Tagen), milder und symptomloser Thrombozytenabfall, der unter Heparin im Verlauf wieder ansteigt
Diagnostisches Vorgehen
Die klinische Wahrscheinlichkeit für eine HIT-II sollte nach dem 4 T-Score berechnet werden. Dieser Score umfasst das Ausmaß der Thrombozytopenie, die Zeit seit Abfall der Thrombozytenwerte, thromboembolische Befunde und mögliche andere Ursachen für eine Thrombozytopenie (4 T`s: Thrombocytopenia, Timing, Thrombosis, Absence of other explanations).
Bei einem Thrombozytenabfall ist zunächst ein sensitiver Screeningtest
zum Nachweis oder zum Ausschluss von Antikörpern gegen den Heparin-Plättchenfaktor 4 (PF4)-Komplex durchzuführen. Bei negativem Testausfall kann die Heparintherapie im Allgemeinen fortgesetzt werden.
Ein positiver Testausfall kann auf eine HIT-II hindeuten, ist aber nicht beweisend und muss durch einen funktionellen Test (Heparin-induzierte Plättchenaggregation, HIPA-Test) abgesichert werden, da unspezifisch positive Ergebnisse im PF4-Antikörpertest relativ häufig (etwa 2/3) vorkommen (z. B. postoperativ, auch bei Herz-Lungen-Maschine). Ein hoher 4 T-Score sollte ebenfalls in einem HIPA überprüft werden.
Da für den HIPA-Test frische Spenderthrombozyten benötigt werden, kann dieses aufwendige Testverfahren nur in Blutbank-Laboratorien durchgeführt werden. Hierzu wird die Probe von unserem Labor an ein entsprechendes Labor weitergeleitet.
Nur der positive HIPA-Test (Goldstandard) ist beweisend für eine HIT-II.
Ca. 10 % der Patienten mit einer HIT-II bilden keine Antikörper gegen Heparin-PF4-Komplex, so dass die Diagnose hier nur mit dem
funktionellen HIPA-Test gestellt werden kann.
Bereits bei begründetem Verdacht auf HIT muss die Heparinisierung des Patienten auf eine Alternativantikoagulation umgestellt werden
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