Zöliakie-Diagnostik

Sprue, Zoeliakie

Kategorie Lexikon
Stand04.08.2022
Enthaltene Parameter
Basisprofil: AK gg Transglutaminase im Serum- IgA, Immunglobulin A gesamt (IgA) im Serum. Wenn IgA niedrig dann:
Erweitertes Profil: AK gg Transglutaminase-IgG; AK gg deamidiertes Gliadin (IgG), AK gg Endomysium (IgA, IgG), evtl.  Zöliakie-Prädispositionsallele (Gendiagnostik)
Zusatzinformation
Hintergrund
Die Zöliakie oder Sprue ist charakterisiert durch eine Überempfindlichkeit gegenüber Klebereiweiß (Gluten) diverser Getreidesorten. Das Gluten wird von Gluteninen und Gliadin, einer ethanollöslichen, prolinreichen Proteinfraktion des Weizens, gebildet. Die Aufnahme glutenhaltiger Nahrungsmittel führt zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut mit oft ausgedehnter Zerstörung der Epithelzellen. Klinische Symptome der Zöliakie umfassen Gewichtsverlust, Durchfall, Erbrechen, Blähungen, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, zeichen der Malabsorption etc. Die Prävalenz der Zöliakie liegt in Europa bei etwa 0,05 - 0,1 %.
 
Diagnostisches Vorgehen
Die Diagnosestellung einer Zöliakie beruht auf dem Nachweis spezifischer AK gegen Gliadine und Transglutaminase, ein relevantes Antigen des Endomysiums (siehe unter den jeweiligen Parametern), sowie der Bestimmung von HLA-Prädispositionsallelen bei Risikopatienten.
 
AK gegen Gliadin waren die ersten zur Verfügung stehenden serologischen Marker einer Zöliakie. Ihre Spezifität und Sensitivität war jedoch beschränkt. In den letzten Jahren zeigte sich, dass AK gegen deamidierte Gliadin-Peptide eine höhere diagnostische Relevanz haben, so dass diese inzwischen die Bestimmung von AK gegen natives Gliadin ersetzt haben. Die AK gegen deamidierte Gliadin-Peptide-IgA sind entbehrlich und sollen in keinem Fall bestimmt werden! (S2k-Leitlinie Zöliakie, Ergebnisse einer S2k-Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGSV) gemeinsam mit der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG e.V.) zur Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität)
Da Patienten mit Zöliakie häufig einen IgA-Mangel aufweisen, ist laut aktueller ESPGHAN-Kriterien als Eingangsdiagnostik bei klinischem Verdacht auf eine Zöliakie die kombinierte Bestimmung von AK gegen deamidiertes Gliadin der Klasse IgG  zusammen mit Transglutaminase-IgA-AK indiziert. Alternativ kann auch als Eingangsdiagnostik die Bestimmung der Transglutaminase-IgA-AK in Kombination mit der Bestimmung des quantitativen IgA im Serum eingesetzt werden. Bei nachgewiesenem IgA-Mangel sollten danach die IgG-AK gegen deamidiertes Gliadin und die Transglutaminase-IgG-AK bestimmt werden.
Außerdem dient die Bestimmung der IgG-AK gegen deamidiertes Gliadin in Kombination mit den Transglutaminase-IgA-AK auch dem Ausschluss einer Zöliakie bei Erkrankungen, die eine hohe Assoziation zur Zöliakie haben, wie Turner-Syndrom (8 %), Down-Syndrom (7 %), IgA-Mangel (5 %), Diabetes mellitus Typ 1 (3 %) und  weiteren Autoimmunerkrankungen, z. B. autoimmune Thyreoiditis.
Die Bestimmung von Endomysium-AK, die sich gegen die humane Gewebstransglutaminase richten, wird gemäß den aktuellen ESPGHAN Kriterien zur Eingangsdiagnostik nicht empfohlen. Sie ist jedoch als ergänzende Diagnostik z. B. bei unklarer Befundkonstellation oder bei weiterem klinischen Krankheitsverdacht und negativen Transglutaminase-AK, angezeigt.
 
Bewertung
Positive Transglutaminase-AK und positive IgG-AK gegen deamidiertes Gliadin weisen einzeln oder gemeinsam mit hoher Spezifität auf eine bestehende Zöliakie hin.
Negative Transglutaminase-AK und AK gegen deamidiertes Gliadin können auftreten, wenn die Blutentnahme bereits unter glutenfreier Ernährung erfolgte oder ein Antikörpermangelsyndrom vorliegt.
Bei Erwachsenen haben IgG-AK gegen deamidiertes Gliadin eine höhere diagnostische Trennschärfe als IgA-Antikörper gegen deamidiertes Gliadin, weshalb letztere auch in den ESPGHAN-Kriterien nicht mehr enthalten sind.
Abgesehen von Patienten mit IgA-Mangel  ist der Nachweis von Transglutaminase-IgA- bzw. Endomysium-IgA-AK dem Nachweis von -IgG-AK in Sensitivität und Spezifität überlegen. Da Patienten mit Zöliakie überdurchschnittlich häufig an IgA-Mangel leiden, wird im Rahmen der Zöliakie-Diagnostik der Ausschluss eines IgA-Mangels durch Bestimmung des Gesamt-IgA im Serum empfohlen. Dies v. a. auch, um negative Endomysium-/Transglutaminase-IgA-AK-Befunde richtig zu interpretieren.
Bei Kindern bis 3 Jahren weisen Transglutaminase-AK- und die  Endomysium-AK-Bestimmungen eine etwas geringere Sensitivität auf.
Bei unklarer Serologie und fortbestehender klinischer Symptomatik wird weiterhin die Dünndarmbiopsie empfohlen.
 
Findet sich bei Patienten mit Symptomen einer Zöliakie folgende Befundkonstellation:
  • Transglutaminase-IgA-AK in hohen Konzentrationen (> 10 x Cut-off)
  • Gesamt-IgA normal bzw. bei IgA-Mangel IgG-AK gegen deamidiertes Gliadin vorhanden
  • HLA-DQ2/DQ8 vorhanden
  • Endomysium-AK positiv
kann nach den neuen ESPGHAN-Kriterien auf eine Dünndarmbiopsie zur Sicherung der Diagnose Zöliakie verzichtet werden.
 
Bei Risikopatienten ohne klinische Symptome wird als Eingangsdiagnostik laut ESPGHAN-Kriterien die Bestimmung der HLA-Prädispositionsallele DQ2 und DQ8 (siehe dort) empfohlen. Sind beide negativ, besteht kein Risiko für eine Zöliakie. Ist mindestens ein Allel positiv, folgt die Bestimmung der Transglutaminase-IgA-AK sowie des Gesamt-IgA im Serum. Bei niedrig-positiven Transglutaminase IgA-AK (< 3 x Cut-off) wird noch vor Indikation zur Dünndarmbiopsie zur Absicherung der Zöliakiediagnose die Bestimmung der Endomysium-IgA-AK empfohlen. Bei nachgewiesenem IgA-Mangel sollten zum Ausschluss einer Zöliakie immer noch IgG-AK gegen deamidiertes Gliadin und Transglutaminase-IgG-AK bestimmt werden.
 
Endomysium- bzw. Transglutaminase-AK sind auch bei der Dermatitis herpetiformis Duhring nachweisbar.
Literatur
Conrad K, Schößler W, Hiepe F. Autoantikörper bei organspezifischen Autoimmunerkrankungen. Ein diagnostischer Leitfaden. Dustri Verlag, 2011. (160)
 
Conrad K, Schößler W, Hiepe F. Autoantikörper bei systemischen Autoimmunerkrankungen. Ein diagnostischer Leitfaden. Dustri Verlag, 2006. (161)
 
Husby S, Koletzko S, Korponay-Szabo IR, Mearin ML, Phillips A, Shamir R, Troncone R, Giersiepen K, Branski D, Catassi C, Lelgeman M, Maki M, Ribes-Koninckx C, Ventura A, Zimmer KP. European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition guidelines for the diagnosis of coeliac disease. J Pediatr Gastroenterol Nutr 54: 136-60, 2012. (176)