Hintergrund
Unter dem Begriff Diabetes mellitus (DM) werden heterogene Stoffwechselstörungen mit dem gemeinsamen Leitbefund der chronischen Hyperglykämie zusammengefasst, die als Folge einer gestörten Insulinsekretion (absoluter Insulinmangel) und/oder einer gestörten Insulinwirkung (relativer Insulinmangel) entstehen.
Beim Typ-1-DM kommt es durch eine meist immunologisch vermittelte Zerstörung der ß-Zellen zum absoluten Insulinmangel. Der LADA (Latent Autoimmune Diabetes in Adults) ist eine Sonderform des Typ-1-DM, der sich im Erwachsenenalter (> 25 Jahre) durch einen langsam entstehenden Insulinmangel manifestiert. Dem Typ-2-DM liegen mehrere Störungen zugrunde, die eng mit dem Metabolischen Syndrom assoziiert sind: Insulinresistenz, gestörte Insulin- und Glukagonsekretion, fortschreitende Apoptose der ß-Zellen. In Abhängigkeit von der Ausprägung dieser Faktoren erstreckt sich das Bild von der dominierenden Insulinresistenz bis zum vordergründigen sekretorischen Defekt mit allen Zwischenvarianten. Andere Diabetesformen entstehen aufgrund von genetischen Defekten (MODY = Maturity Onset Diabetes of the Young), Erkrankungen des exokrinen Pankreas (z. B. Pankreatitis, zystische Fibrose), Endokrinopathien (z. B. Akromegalie, Cushing-Syndrom, Phäochromozytom, Hyperthyreose), Infektionen (z. B. CMV) oder Medikamenten (z. B. Glucocorticoide, Neuroleptika, alpha-Interferon). Als Gestationsdiabetes ist eine erstmals während der Schwangerschaft diagnostizierte, gestörte Glukosetoleranz (75 g oGTT) definiert. Manifeste Diabetesformen, die erstmals während der Schwangerschaft festgestellt werden, fallen nicht unter die Diagnoseklasse des Gestationsdiabetes.
Diagnostik
Goldstandard für die Diagnostik des DM ist die Messung der Glukose im venösen Plasma unter effektiver Glykolysehemmung nach Blutabnahme (Fluorid + Citrat!). Das Ergebnis einer Erstmessung sollte durch eine zeitnahe Zweitmessung bestätigt werden. Auch der HbA1c-Wert kann für die Primärdiagnostik verwendet werden, sofern Verfälschungen z. B. durch Hämoglobinopathien, Erythrozytopathien, Schwangerschaft u. a. ausgeschlossen sind. Weitere Funktionstests (oGTT, GCT) sind nur bei nicht eindeutig pathologischen Nüchtern-Glukosewerten zulässig und indiziert. Bei Verdacht auf LADA ist die zusätzliche Bestimmung von GAD-AK (Autoantikörper gegen Glutamatdecarboxylase) zu empfehlen.
Richtwerte zur Feststellung eines Diabetes mellitus
Gelegenheits-Plasmaglukose (unabhängig von Nahrungsaufnahme)
≥ 200 mg/dl V. a. Diabetes mellitus
weitere Abklärung durch Nüchtern-Plasmaglukose
und/oder 75 g oGTT
Nüchtern-Plasma-Glukose (> 8 h Nahrungskarenz)
< 100 mg/dl normal
100 - 125 mg/dl abnorme Nüchternglukose
≥ 126 mg/dl Diabetes mellitus
75 g oGTT 2 h-Plasmaglukose (Durchführung im Nüchternzustand)
< 140 mg/dl normal
140 - 199 mg/dl gestörte Glukosetoleranz
≥ 200 mg/dl Diabetes mellitus
HbA1c
< 39 mmol/mol (< 5,7 %) kein Diabetes mellitus
39 - 47 mmol/mol (5,7-6,4 %) weitere Abklärung durch Nüchtern-Plasma-Glukose
und/oder 75 g oGTT
> 47 mmol/mol (> 6,4 %) Diabetes mellitus
Richtwerte zur Feststellung eines Gestationsdiabetes
Gelegenheits-Plasma-Glukose (unabhängig von Nahrungsaufnahme)
≥ 200 mg/dl weitere Abklärung durch Nüchtern-Plasmaglukose
und/oder 75 g oGTT
Nüchtern-Plasma-Glukose (> 8 h Nahrungskarenz)
< 92 mg/dl normal
92 - 125 mg/dl Gestationsdiabetes
≥ 126 mg/dl manifester Diabetes mellitus
50 g GCT (Glucose Challenge Test, SSW 24-28, unabhängig von Nahrungsaufnahme)
< 135 mg/dl kein Hinweis auf Gestationsdiabetes
135 - 200 mg/dl Verdacht auf Gestationsdiabetes
weitere Abklärung mittels 75 g oGTT
> 200 mg/dl Gestationsdiabetes
75 g oGTT (oraler Glukose-Toleranztest, Durchführung im Nüchternzustand)
Zeitpunkt Glukose-Grenzwert
Nüchtern (basal) 92 mg/dl
Nach 1 Stunde 180 mg/dl
Nach 2 Stunden 153 mg/dl
Wird mindestens ein Grenzwert erreicht oder überschritten, liegt ein Gestationsdiabetes vor.
Die Schwangere soll zum Gestationsdiabetes beraten und intensiv betreut werden. |