Erreger
Das Hepatitis B-Virus (HBV) ist ein DNA-Virus aus der Familie der Hepadnaviren und kommt in 8 Genotypen (A-H) vor.
HBV besteht aus einem Nukleokapsid (HBc = hepatitis B core antigen) und einer Hülle aus Wirtszelllipiden und viralen Oberflächenproteinen (Hepatitis B surface antigen, HBsAg). HBsAg wird von infizierten Zellen in 100-fachem Überschuss zu kompletten Viren sezerniert.
HBV vermehrt sein Genom über eine RNA-Zwischenstufe, so dass das HBV-Genom teilweise in das Leberzellgenom integriert werden kann. HBsAg kann daher auf hohem Level weiter produziert werden, selbst wenn keine Virus-Replikation mehr stattfindet. Die RNA-Zwischenstufe erklärt auch die für ein DNA-Virus ungewöhnlich hohe Variabilität des HBV. Besonders unter Therapie können sehr schnell HBV-Varianten entstehen, die das Immunsystem unterlaufen oder gegen antivirale Medikamente resistent sind.
HBV ist selbst nicht zytopathogen. Die Krankheitssymptome bei einer HBV-Infektion beruhen hauptsächlich auf der zellulären Immunabwehr des Wirtsorganismus gegen infizierte Hepatozyten.
Escape-Mutante
Defekt im HBV-Genom mit Verlust der antigenen a-Determinante, gegen die die Impfantwort hauptsächlich gerichtet ist. Damit kann die Mutante der Immunantwort entgehen (Nachweis nur durch HBV-DNA).
Pre-Core/core-Mutante (HBeAg-Minusmutante)
Translations-Stop-Codon am Ende des pre-Core-Gens, das die Synthese des Pre-Core/Core-Fusionsproteins als Vorstufe des HBeAg verhindert. Die HBeAg-Produktion ist damit blockiert, während die Virusreplikation nicht beeinflusst wird. Die Häufigkeit der Pre-Core-Mutation hängt stark vom HBV-Genotyp ab (40 - 80 % in Asien und Mittelmeerraum). Die HBeAg-Minusmutante spricht schlechter auf eine Therapie mit Standard-Interferon an als der Wildtyp.
Infektionsweg und Verbreitung
Die Infektion mit HBV erfolgt parenteral durch Sexualkontakte, Kontakt mit infiziertem Blut oder Sekreten sowie von infizierten Schwangeren auf das Neugeborene (Risiko 5 %). Bei hoher HBV-Konzentration reichen für eine Infektion 0,1 µl Blut aus (Haut- und Schleimhautläsionen). Bei hochvirämischen Trägern (10^7 bis zu 10^10 Kopien/ml) finden sich infektiöse Viren auch in Urin, Speichel, Samenflüssigkeit, Galle und Muttermilch.
Das Risiko, eine HBV-Infektion nach Stichverletzung von einem HBsAg-positiven Indexpatienten zu akquirieren, liegt bei 10 - 30 %, ist jedoch abhängig von der Viruslast des Indexpatienten, der Schwere der Verletzung und der Menge der übertragenen infektiösen Flüssigkeit.
Die Hepatitis B ist weltweit verbreitet. In Deutschland werden ca. 2000 Fälle/Jahr gemeldet.
Klinik
Akute HBV-Infektion
- vor kurzem erworbene Infektion mit HBV
- Inkubationszeit: 6 - 28 (meist 9 - 13) Wochen
- kann mit einer Erhöhung der Transaminasen und einer Leberfunktionseinschränkung einhergehen (akute Hepatitis B), verläuft jedoch in der Mehrzahl inapparent
- fulminantes Leberversagen in < 1 % der Infizierten
- heilt bei immunkompetenten Erwachsenen in über 90 % spontan aus
- Chronifizierungsrate bei Neugeborenen bis zu 95 %, Kleinkindern 25 - 40 %, Schulkindern 5 - 10 % und bei Immunkompromittierten 30 - 90 %.
Chronische Hepatitis B
- Persistierende HBV-lnfektion, d. h. länger als 6 Monate fortbestehende Infektion (HBsAg positiv), mit biochemisch und/oder histologisch nachweisbarer Leberzellschädigung
- Komplikationen der chronischen Hepatitis B sind die Leberzirrhose (Risiko bei HBeAg-Positiven 8 - 10 % pro Jahr, bei HBeAg-Negativen 2 - 5,5 % pro Jahr) und das daraus hervorgehende Leberzellkarzinom (HCC, Risiko 2 - 7 % pro Jahr).
Spezielle Verlaufsformen
Hochvirämischer („immuntoleranter“) HBsAg-Trägerstatus
- Hochreplikative, chronische HBV-lnfektion ohne Zeichen der Leberzellschädigung
- meist nach vertikaler Übertragung oder Infektion im Kleinkindesalter
- Übergang in eine chronische Hepatitis B ist möglich.
Niedrigvirämischer („inaktiver") HBsAg-Trägerstatus
- Persistierende HBV-lnfektion ohne Zeichen der Leberzellschädigung.
- Der inaktive HBs-Ag-Träger ist HBe-Ag-negativ und niedrig replikativ.
- Risiko der Reaktivierung der Erkrankung (Hepatitis) im Spontanverlauf oder unter Immunsuppression.
Diagnostik
Hepatitis B-Suchprofil
- HBsAg, Anti-HBc (IgG, IgM)
- falls Anti-HBc positiv, erfolgt automatisch Anti-HBc (IgM)
Hepatitis B-Impfstatus (Titerkontrolle)
Akute Hepatitis B
- initial HBsAg, Anti-HBc (IgG, IgM)
Anti-HBc positiv:
- Anti-HBc (IgM) erfolgt automatisch
HBsAg und Anti-HBc positiv:
- zusätzlich HBeAg, Anti-HBe
nur HBsAg positiv:
- zusätzlich HBeAg, HBV-DNA
- nach 2 - 4 Wochen Kontrolle von HBsAg und Anti-HBc
nur Anti-HBc positiv:
- zusätzlich Anti-HBs
- Anti-HBs positiv: Ausheilung
- Anti-HBs negativ: zusätzlich Anti-HBc-lgM, Anti-HBe, HBV-DNA quantitativ (DD: kürzliche HBV-lnfektion/HBV-Escape-Variante/„Anti-HBc-only")
- Kontrolle im Verlauf bis Anti-HBs >10 IU/l
- bei akuter Hepatitis B Kontrolle von HBsAg und Anti-HBs alle 3 - 6 Monate, bis eine Anti-HBs-Serokonversion erfolgt ist
Persistierende HBV-Infektion
- initial HBsAg, Anti-HBc (IgG, IgM)
Anti-HBc positiv:
- Anti-HBc (IgM) erfolgt automatisch
HBsAg und Anti-HBc positiv:
- HBeAg, Anti-HBc, HBV-DNA quantitativ, Anti-HDV
nur HBsAg positiv:
- HBeAg, HBV-DNA (DD: kürzliche/okkulte HBV-Infektion)
- nach 2 - 4 Wochen Kontrolle von HBsAg und Anti-HBc
Verlaufskontrolle bei HBsAg-Trägerstatus
- Transaminasenaktivität und HBV-DNA quantitativ:
im 1. Jahr mind. dreimal, im 2. Jahr mind. zweimal, danach alle 12 Monate
- HBeAg/Anti-HBe alle 12 Monate
- bei chronischer HBV-Infektion mit erhöhtem HCC Risiko (HBV-DNA > 10.000 Kopien/ml) AFP-Bestimmung alle 12 Monate
- HBeAg-positive HBsAg-Träger sollten therapiert werden.
- Nach Serokonversion zu Anti-HBe sind jährliche Untersuchungen ausreichend.
Schwangerschaft
- HBsAg-Screening nach der 32. SSW empfohlen.
Indikationen für eine Untersuchung auf HBV-DNA
- Frühdiagnose einer Infektion (z. B. nach parenteraler Exposition oder Sexualkontakt)
- HBsAg positive Patienten ohne HBe-Marker
- HBsAg positive Patienten ohne Anti-HBc
- Anti-HBe positive symptomfreie HBsAg-Träger (in bis zu 50 % der Fälle noch HBV-DNA im Serum nachweisbar)
- „Anti-HBc-only“
- Therapieentscheidung, Therapieüberwachung
Untersuchung auf Resistenzmutationen im HBV-Polymerasegen
- Versagen einer laufenden Therapie, d. h. Anstieg der Viruslast trotz gesicherter Medikamenteneinnahme (Nukleos(t)id-Analoga)
Therapieüberwachung
- unter Therapie Kontrolle von HBV-DNA und ALT initial nach 4 - 6 Wochen, danach alle 3 - 6 Monate, ggf. Bestimmung von HBsAg quantitativ
Interpretation serologischer Konstellationen und einzelner Marker
Anti-HBc HBsAg Anti-HBs
- - - serologisch kein Hinweis auf HBV-Infektion
- - + Zustand nach Impfung, schwach/grenzwertig
nach sehr lange zurückliegender HBV-Inf.,
falsch positiv (Anamnese, Verlaufskontrolle)
- + - sehr frische HBV-Infektion vor klinischer
Manifestation; selten bei primärer oder
sekundärer Immundefizienz;
Kontamination mit stark HBsAg-positiver
Probe; bei Ausschluss einer Kontamination
siehe HBeAg, HBV-DNA
+ + - akute oder chronische HBV-Infektion;
Behandlungsindikation bei chron.
HBV-Inf.? Siehe HBeAg, anti-HBe
Infektiosität? Siehe HBV-DNA, quantitativ
+ - + durchgemachte HBV-Inf. mit bleibender
Immunität (Reaktivierung bei starker
Immunsuppression möglich)
+ + + nicht selten bei chron. HBV-Inf. (Anti-HBs
meist schwach)
+ - - HBsAg-Serokonversions-Fenster anti-HBe
positiv; sehr lange zurückliegende,
ausgeheilte HBV-Inf.; selten chron.
HBV-Inf.; sehr selten HBsAg-Escape-
Mutante; falsch positiv
Erläuterungen zu einzelnen Parametern der Hepatitis B-Diagnostik
Anti-HBc
- nachweisbar bei stattgehabter HBV-Infektion (nahezu 100 %)
- Anti-HBc negativ bei HBsAg positiver chronischer HBV-lnfektion (sehr selten):
- Mutation im Core-Gen (HBeAg-Minusmutante)
- Überschuss an HBcAg im Verhältnis zu Anti-HBc
- selektiver Immundefekt
- Anti-HBc-only
Häufige serologische Konstellation vor allem bei Immunsupprimierten (HIV, medikamentös), i.v. Drogenabhängigen und Patienten mit assoziierter Hepatitis C. Der Status hat keinen Krankheitswert, es verbleibt aber ein Risiko, z. B. bei Blut- oder Organspenden, eine HBV-lnfektion zu übertragen, und die Gefahr der Reaktivierung einer Hepatitis B unter Immunsuppression. Weitere Abklärung F HBV-DNA
in hoher Konzentration bei der akuten Hepatitis B (fällt mit der Ausheilung ab)
in niedriger Konzentration auch bei Exazerbation einer chronischen Hepatitis B
HBsAg, Anti-HBs
- HBs-Ag ist 8 - 9 Wochen nach Infektion nachweisbar.
- 5 - 10 % der HBV-Infektionen bleiben HBsAg-negativ! F HBV-DNA. Bei Ausheilung einer akuten Hepatitis B kommt es häufig erst verzögert (> 24 Monate) zum Anstieg von Anti-HBs-Antikörpern
- In der Frühphase der Infektion und bei persistierender oder okkulter HBV-lnfektion kann HBsAg unterhalb der Nachweisgrenze liegen F HBV-DNA
- bei Persistenz von HBsAg = 6 Monate u./o. HBV-DNA 8 Wochen ist ein chronischer Verlauf anzunehmen
- Anti-HBs > 10 IU/l = schützende Immunität
- falsch negatives HBsAg
kann durch Escape-Variationen in den HBsAg-Epitopen bedingt sein (Escape-Varianten = Mutationen im antigenen HBsAg-Bereich können durch natürlichen Selektionsdruck während der Erkrankung oder nach Impfung entstehen) F HBV-DNA
- HBsAg negativ und Anti-HBs positiv bei chronischer HBV-lnfektion:
- fulminante Hepatitis B mir rascher Viruselimination und Serokonversion
- Hepatitis D Superinfektion mit passagerer Unterdrückung von HBsAg
- chronische HBV-Infektion mit niedriger Virusreplikation
- Infektion mit einer HBsAg-Escape-Mutanten
- HBsAg positiv und Anti-HBs positiv:
- abgelaufene, ausgeheilte HBV-Infektion mit einer Immunantwort gegen eine Subdeterminante und mit konsekutiver Infektion mit dem HBsAg Wildtyp
HBeAg, anti-HBe
- anti-HBe positive Patienten mit chron. Hepatitis und hoher Viruslast (HBV-DNA quantitativ) haben eine schlechte Prognose. Häufig Mutationen im Pre-Core- und Core-Promotorbereich
- Eine „HBe-minus"-Variante kann bei einem Patienten zusammen mit dem Wildvirus als Quasispezies gemeinsam vorkommen = HBeAg-positive Konstellationen einer Infektion mit der Pre-Core-Variante
HBV-DNA
- Nachweisgrenze: 100 Kopien/ml (0,02 kIU/ml) bei qualitativer PCR etwas niedriger
- HBV-DNA positiv und Serologie negativ:
- falsch positiver Befund durch Kontamination der Probe
- selten Inkubationsphase einer Hepatitis B
- sehr selten seronegative Hepatitis B (Existenz umstritten)
Therapie und Prophylaxe
Die Therapie der Hepatitis B sollte sich nach den aktuell gültigen Leitlinien richten (siehe unter Literatur und im elektronischen Leistungsverzeichnis unter www.labor-gaertner.com).
Die aktive und ggf. passive Immunisierung sollte gemäß STIKO-Empfehlung erfolgen. Eine quantitative Testung auf Anti-HBs (4 - 8 Wochen nach der Beendigung der Grundimmunisierung (d.h. nach der 3. bzw. 4. Impfung) sollte durchgeführt werden bei Personen mit erhöhtem Hepatitis B-Risiko, bei Immunkompromittierten und bei Personen über 40 Jahren.
Anti-HBs
< 10 IU/l für nicht Geimpfte
< 20 IU/l keine Immunität, Grundimmunisierung oder
Nachimpfung empfohlen, bei nicht Geimpften
evtl. auch Bestimmung von anti-HBc
20 - 100 IU/l Immunität anzunehmen, STIKO-Empfehlung:
sofortige Nachimpfung; bei wiederholten
derartigen Werten Titerkontrolle und ggf.
Nachimpfung nach 1 Jahr
> 100 IU/l Immunität anzunehmen, Titerkontrolle und
ggf. Nachimpfung in 10 Jahren empfohlen (bei
Werten unter 1.000 IU/l evtl. Bereits nach
3 - 5 Jahren)
Bei Neugeborenen von HBsAg-positiven Schwangeren soll eine Postexpositionsprophylaxe durchgeführt werden. Die kombinierte aktive/passive Immunisierung innerhalb von 12 Stunden nach Geburt verhindert weitgehend (90 %) die Infektion des Neugeborenen. Bei nachträglicher Feststellung einer HBsAg-Positivität kann innerhalb von 7 Tagen postpartal die Gabe von Hepatitis B-Immunglobulin nachgeholt werden.
Meldepflicht
Direkter und indirekter Erregernachweis sind bei klinisch akuter Hepatitis meldepflichtig nach § 7 IfSG. |