Hepatitis B

HBV

Kategorie Lexikon
Stand09.07.2020
Abrechenbarkeit EBM
Enthaltene Parameter
Anti-HBc (IgG/IgM); Anti-HBc (IgM); Anti-HBe; Anti-HBs; HBsAg qualitativ; HBsAg quantitativ; HBeAg; HBV-DNA (qualitativ); HBV-DNA (quantitativ); HBV-Genotypisierung; HBV-Pre-Core-Mutanten; HBV-Lamivudin-Resistenz
Zusatzinformation
Erreger
Das Hepatitis B-Virus (HBV) ist ein DNA-Virus aus der Familie der Hepadnaviren und kommt in 8 Genotypen (A-H) vor.
HBV besteht aus einem Nukleokapsid (HBc = hepatitis B core antigen) und einer Hülle aus Wirtszelllipiden und viralen Oberflächenproteinen (Hepatitis B surface antigen, HBsAg). HBsAg wird von infizierten Zellen in 100-fachem Überschuss zu kompletten Viren sezerniert.
HBV vermehrt sein Genom über eine RNA-Zwischenstufe, so dass das HBV-Genom teilweise in das Leberzellgenom integriert werden kann. HBsAg kann daher auf hohem Level weiter produziert werden, selbst wenn keine Virus-Replikation mehr stattfindet. Die RNA-Zwischenstufe erklärt auch die für ein DNA-Virus ungewöhnlich hohe Variabilität des HBV. Besonders unter Therapie können sehr schnell HBV-Varianten entstehen, die das Immunsystem unterlaufen oder gegen antivirale Medikamente resistent sind.
HBV ist selbst nicht zytopathogen. Die Krankheitssymptome bei einer HBV-Infektion beruhen hauptsächlich auf der zellulären Immunabwehr des Wirtsorganismus gegen infizierte Hepatozyten.
 
Escape-Mutante
Defekt im HBV-Genom mit Verlust der antigenen a-Determinante, gegen die die Impfantwort hauptsächlich gerichtet ist. Damit kann die Mutante der Immunantwort entgehen (Nachweis nur durch HBV-DNA).
Pre-Core/core-Mutante (HBeAg-Minusmutante)
Translations-Stop-Codon am Ende des pre-Core-Gens, das die Synthese des Pre-Core/Core-Fusionsproteins als Vorstufe des HBeAg verhindert. Die HBeAg-Produktion ist damit blockiert, während die Virusreplikation nicht beeinflusst wird. Die Häufigkeit der Pre-Core-Mutation hängt stark vom HBV-Genotyp ab (40 - 80 % in Asien und Mittelmeerraum). Die HBeAg-Minusmutante spricht schlechter auf eine Therapie mit Standard-Interferon an als der Wildtyp.
 
Infektionsweg und Verbreitung
Die Infektion mit HBV erfolgt parenteral durch Sexualkontakte, Kontakt mit infiziertem Blut oder Sekreten sowie von infizierten Schwangeren auf das Neugeborene (Risiko 5 %). Bei hoher HBV-Konzentration reichen für eine Infektion 0,1 µl Blut aus (Haut- und Schleimhautläsionen). Bei hochvirämischen Trägern (10^7 bis zu 10^10 Kopien/ml) finden sich infektiöse Viren auch in Urin, Speichel, Samenflüssigkeit, Galle und Muttermilch.
Das Risiko, eine HBV-Infektion nach Stichverletzung von einem HBsAg-positiven Indexpatienten zu akquirieren, liegt bei 10 - 30 %, ist jedoch abhängig von der Viruslast des Indexpatienten, der Schwere der Verletzung und der Menge der übertragenen infektiösen Flüssigkeit.
Die Hepatitis B ist weltweit verbreitet. In Deutschland werden ca. 2000 Fälle/Jahr gemeldet.
 
Klinik
Akute HBV-Infektion
  • vor kurzem erworbene Infektion mit HBV
  • Inkubationszeit: 6 - 28 (meist 9 - 13) Wochen
  • kann mit einer Erhöhung der Transaminasen und einer Leberfunktionseinschränkung einhergehen (akute Hepatitis B), verläuft jedoch in der Mehrzahl inapparent
  • fulminantes Leberversagen in < 1 % der Infizierten
  • heilt bei immunkompetenten Erwachsenen in über 90 % spontan aus
  • Chronifizierungsrate bei Neugeborenen bis zu 95 %, Kleinkindern 25 - 40 %, Schulkindern 5 - 10 % und bei Immunkompromittierten 30 - 90 %.
 
Chronische Hepatitis B
  • Persistierende HBV-lnfektion, d. h. länger als 6 Monate fortbestehende Infektion (HBsAg positiv), mit biochemisch und/oder histologisch nachweisbarer Leberzellschädigung
  •  Komplikationen der chronischen Hepatitis B sind die Leberzirrhose (Risiko bei HBeAg-Positiven 8 - 10 % pro Jahr, bei HBeAg-Negativen 2 - 5,5 % pro Jahr) und das daraus hervorgehende Leberzellkarzinom (HCC, Risiko 2 - 7 % pro Jahr).
 
Spezielle Verlaufsformen
Hochvirämischer („immuntoleranter“) HBsAg-Trägerstatus
  • Hochreplikative, chronische HBV-lnfektion ohne Zeichen der Leberzellschädigung
  • meist nach vertikaler Übertragung oder Infektion im Kleinkindesalter
  • Übergang in eine chronische Hepatitis B ist möglich.
Niedrigvirämischer („inaktiver") HBsAg-Trägerstatus
  • Persistierende HBV-lnfektion ohne Zeichen der Leberzellschädigung.
  • Der inaktive HBs-Ag-Träger ist HBe-Ag-negativ und niedrig replikativ.
  • Risiko der Reaktivierung der Erkrankung (Hepatitis) im Spontanverlauf oder unter Immunsuppression.
 
Diagnostik
Hepatitis B-Suchprofil
  • HBsAg, Anti-HBc (IgG, IgM)
  • falls Anti-HBc positiv, erfolgt automatisch Anti-HBc (IgM)
 
Hepatitis B-Impfstatus (Titerkontrolle)
  • Anti-HBs
 
Akute Hepatitis B
  • initial HBsAg, Anti-HBc (IgG, IgM)
Anti-HBc positiv:
    • Anti-HBc (IgM) erfolgt automatisch
HBsAg und Anti-HBc positiv:                 
    • zusätzlich HBeAg, Anti-HBe
nur HBsAg positiv:         
    • zusätzlich HBeAg, HBV-DNA
    • nach 2 - 4 Wochen Kontrolle von HBsAg und Anti-HBc
nur Anti-HBc positiv:       
    • zusätzlich Anti-HBs
    • Anti-HBs positiv: Ausheilung
    • Anti-HBs negativ: zusätzlich Anti-HBc-lgM, Anti-HBe, HBV-DNA quantitativ (DD: kürzliche HBV-lnfektion/HBV-Escape-Variante/„Anti-HBc-only")
    • Kontrolle im Verlauf bis Anti-HBs >10 IU/l
  • bei akuter Hepatitis B Kontrolle von HBsAg und Anti-HBs alle 3 - 6 Monate, bis eine Anti-HBs-Serokonversion erfolgt ist
 
Persistierende HBV-Infektion
  • initial HBsAg, Anti-HBc (IgG, IgM)
Anti-HBc positiv:            
    • Anti-HBc (IgM) erfolgt automatisch
HBsAg und Anti-HBc positiv:                 
    • HBeAg, Anti-HBc, HBV-DNA quantitativ, Anti-HDV
nur HBsAg positiv:         
    • HBeAg, HBV-DNA (DD: kürzliche/okkulte HBV-Infektion)
    • nach 2 - 4 Wochen Kontrolle von HBsAg und Anti-HBc
 
Verlaufskontrolle bei HBsAg-Trägerstatus
  • Transaminasenaktivität und HBV-DNA quantitativ:
im 1. Jahr mind. dreimal, im 2. Jahr mind. zweimal, danach alle 12 Monate
  • HBeAg/Anti-HBe alle 12 Monate
  • bei chronischer HBV-Infektion mit erhöhtem HCC Risiko (HBV-DNA > 10.000 Kopien/ml) AFP-Bestimmung alle 12 Monate
  • HBeAg-positive HBsAg-Träger sollten therapiert werden.
  • Nach Serokonversion zu Anti-HBe sind jährliche Untersuchungen ausreichend.
 
Schwangerschaft
  • HBsAg-Screening nach der 32. SSW empfohlen.
 
Indikationen für eine Untersuchung auf HBV-DNA
  • Frühdiagnose einer Infektion (z. B. nach parenteraler Exposition oder Sexualkontakt)
  • HBsAg positive Patienten ohne HBe-Marker
  • HBsAg positive Patienten ohne Anti-HBc
  • Anti-HBe positive symptomfreie HBsAg-Träger (in bis zu 50 % der Fälle noch HBV-DNA im Serum nachweisbar)
  • „Anti-HBc-only“
  • Therapieentscheidung, Therapieüberwachung
  
Untersuchung auf Resistenzmutationen im HBV-Polymerasegen
  • Versagen einer laufenden Therapie, d. h. Anstieg der Viruslast trotz gesicherter Medikamenteneinnahme (Nukleos(t)id-Analoga)
 
Therapieüberwachung
  • unter Therapie Kontrolle von HBV-DNA und ALT initial nach 4 - 6 Wochen, danach alle 3 - 6 Monate, ggf. Bestimmung von HBsAg quantitativ
 
Interpretation serologischer Konstellationen und einzelner Marker
 
Anti-HBc HBsAg Anti-HBs
-     -     -   serologisch kein Hinweis auf HBV-Infektion
-     -     +   Zustand nach Impfung, schwach/grenzwertig
                                        nach sehr lange zurückliegender HBV-Inf.,
                                        falsch positiv (Anamnese, Verlaufskontrolle)
-     +     -   sehr frische HBV-Infektion vor klinischer
                                       Manifestation; selten bei primärer oder
                                       sekundärer Immundefizienz;
                  Kontamination mit stark HBsAg-positiver
                  Probe; bei Ausschluss einer Kontamination
                  siehe HBeAg, HBV-DNA
+     +     -   akute oder chronische HBV-Infektion;
                  Behandlungsindikation bei chron.
                  HBV-Inf.? Siehe HBeAg, anti-HBe
                  Infektiosität? Siehe HBV-DNA, quantitativ
+      -    +   durchgemachte HBV-Inf. mit bleibender
                  Immunität (Reaktivierung bei starker
                  Immunsuppression möglich)
+      +    +   nicht selten bei chron. HBV-Inf. (Anti-HBs
                  meist schwach)
+      -    -   HBsAg-Serokonversions-Fenster anti-HBe
                  positiv; sehr lange zurückliegende,
                  ausgeheilte HBV-Inf.; selten chron.
                  HBV-Inf.; sehr selten HBsAg-Escape-
                  Mutante; falsch positiv
 
Erläuterungen zu einzelnen Parametern der Hepatitis B-Diagnostik
 
Anti-HBc
  • nachweisbar bei stattgehabter HBV-Infektion (nahezu 100 %)
  • Anti-HBc negativ bei HBsAg positiver chronischer HBV-lnfektion (sehr selten):
    • Mutation im Core-Gen (HBeAg-Minusmutante)
    • Überschuss an HBcAg im Verhältnis zu Anti-HBc
    • selektiver Immundefekt
  • Anti-HBc-only
Häufige serologische Konstellation vor allem bei Immun­supprimierten (HIV, medikamentös), i.v. Drogenabhängigen und Patienten mit assoziierter Hepatitis C. Der Status hat keinen Krankheitswert, es verbleibt aber ein Risiko, z. B. bei Blut- oder Organspenden, eine HBV-lnfektion zu übertragen, und die Gefahr der Reaktivierung einer Hepatitis B unter Immunsuppression. Weitere Abklärung F HBV-DNA
  • Anti-HBc (IgM) positiv:
in hoher Konzentration bei der akuten Hepatitis B (fällt mit der Ausheilung ab)
in niedriger Konzentration auch bei Exazerbation einer chronischen Hepatitis B
 
HBsAg, Anti-HBs
  • HBs-Ag ist 8 - 9 Wochen nach Infektion nachweisbar.
  • 5 - 10 % der HBV-Infektionen bleiben HBsAg-negativ! F HBV-DNA. Bei Ausheilung einer akuten Hepatitis B kommt es häufig erst verzögert (> 24 Monate) zum Anstieg von Anti-HBs-Antikörpern
  • In der Frühphase der Infektion und bei persistierender oder okkulter HBV-lnfektion kann HBsAg unterhalb der Nachweisgrenze liegen F HBV-DNA
  • bei Persistenz von HBsAg = 6 Monate u./o. HBV-DNA 8 Wochen ist ein chronischer Verlauf anzunehmen
  • Anti-HBs > 10 IU/l = schützende Immunität
  • falsch negatives HBsAg
kann durch Escape-Variationen in den HBsAg-Epitopen bedingt sein (Escape-Varianten = Mutationen im antigenen HBsAg-Bereich können durch natürlichen Selektionsdruck während der Erkrankung oder nach Impfung entstehen) F HBV-DNA  
  • HBsAg negativ und Anti-HBs positiv bei chronischer HBV-lnfektion:
    • fulminante Hepatitis B mir rascher Viruselimination und Serokonversion
    • Hepatitis D Superinfektion mit passagerer Unterdrückung von HBsAg
    • chronische HBV-Infektion mit niedriger Virusreplikation
    • Infektion mit einer HBsAg-Escape-Mutanten
  • HBsAg positiv und Anti-HBs positiv:
    • abgelaufene, ausgeheilte HBV-Infektion mit einer Immunantwort gegen eine Subdeterminante und mit konsekutiver Infektion mit dem HBsAg Wildtyp
 
HBeAg, anti-HBe
  • anti-HBe positive Patienten mit chron. Hepatitis und hoher Viruslast (HBV-DNA quantitativ) haben eine schlechte Prognose. Häufig Mutationen im Pre-Core- und Core-Promotorbereich
  • Eine „HBe-minus"-Variante kann bei einem Patienten zusammen mit dem Wildvirus als Quasispezies gemeinsam vorkommen = HBeAg-positive Konstellationen einer Infektion mit der Pre-Core-Variante
 
HBV-DNA
  • Nachweisgrenze:  100 Kopien/ml (0,02 kIU/ml) bei qualitativer PCR etwas niedriger
  • HBV-DNA positiv und Serologie negativ:
    • falsch positiver Befund durch Kontamination der Probe
    • selten Inkubationsphase einer Hepatitis B
    • sehr selten seronegative Hepatitis B (Existenz umstritten)
 
 
Therapie und Prophylaxe
Die Therapie der Hepatitis B sollte sich nach den aktuell gültigen Leitlinien richten (siehe unter Literatur und im elektronischen Leistungsverzeichnis unter www.labor-gaertner.com).
Die aktive und ggf. passive Immunisierung sollte gemäß STIKO-Empfehlung erfolgen. Eine quantitative Testung auf Anti-HBs (4 - 8 Wochen nach der Beendigung der Grundimmunisierung (d.h. nach der 3. bzw. 4. Impfung) sollte durchgeführt werden bei Personen mit erhöhtem Hepatitis B-Risiko, bei Immunkompromittierten und bei Personen über 40 Jahren.
         Anti-HBs
    < 10 IU/l für nicht Geimpfte
    < 20 IU/l keine Immunität, Grundimmunisierung oder
              Nachimpfung empfohlen, bei nicht Geimpften
              evtl. auch Bestimmung von anti-HBc
20 - 100 IU/l Immunität anzunehmen, STIKO-Empfehlung:
              sofortige Nachimpfung; bei wiederholten
              derartigen Werten Titerkontrolle und ggf.
              Nachimpfung nach 1 Jahr
   > 100 IU/l Immunität anzunehmen, Titerkontrolle und
              ggf. Nachimpfung in 10 Jahren empfohlen (bei
              Werten unter 1.000 IU/l evtl. Bereits nach
              3 - 5 Jahren)
 
Bei Neugeborenen von HBsAg-positiven Schwangeren soll eine Postexpositionsprophylaxe durchgeführt werden. Die kombinierte aktive/passive Immunisierung innerhalb von 12 Stunden nach Geburt verhindert weitgehend (90 %) die Infektion des Neugeborenen. Bei nachträglicher Feststellung einer HBsAg-Positivität kann innerhalb von 7 Tagen postpartal die Gabe von Hepatitis B-Immunglobulin nachgeholt werden.
 
Meldepflicht
Direkter und indirekter Erregernachweis sind bei klinisch akuter Hepatitis meldepflichtig nach § 7 IfSG.
Literatur
Cornberg M, Protzer U, Dollinger MM, Petersen J, Wedemeyer H, Berg T, Jilg W, Erhardt A, Wirth S, Schirmacher P, Fleig WE, Manns MP. [Prophylaxis, Diagnosis and Therapy of Hepatitis-B-Virus-(HBV-)Infection: upgrade of the guideline, AWMF-Register 021/011]. Z Gastroenterol 45: 525-74, 2007. (5)
 
Mertens T, Haller OA, Klenk HD. Diagnostik und Therapie von Viruskrankheiten: Leitlinien der Gesellschaft für Virologie. 2 ed. Urban & Fischer Verlag, 2004. (165)