Hintergrund
Als Tumormarker (TM) werden Zellbestandteile bzw. Synthese- oder Stoffwechselprodukte bezeichnet, die vornehmlich aufgrund malignen Wachstums vermehrt produziert und in den Blutkreislauf freigesetzt werden. Diese Marker können in den Tumorzellen selbst und nach ihrer Freisetzung im Serum oder in anderen Körperflüssigkeiten in unterschiedlich hohen Konzentrationen nachgewiesen werden. Die bisher bekannten TM sind nicht spezifisch für malignes Wachstum und nur bedingt organspezifisch, da die meisten TM von unterschiedlichen Geweben gebildet werden können.
Einteilung der Tumormarker
- onkofetale und onkoplazentare Antigene (z. B. CEA, AFP, hCG)
- mit monoklonalen Antikörpern erkennbare Kohlenhydratepitope (z. B. CA 19-9, CA 125, CA 15-3)
- Differenzierungs- und Proliferationsantigene (z. B. NSE, PSA, ß2-Mikroglobulin)
- ektop gebildete Hormone (ACTH beim Bronchialkarzinom, Calcitonin beim SD-Karzinom)
- ektop gebildete Proteine (z. B. monoklonal synthetisiertes Immunglobulin oder freie Leichtketten beim multiplen Myelom)
Die Tumormarker-Konzentration im Serum ist abhängig von
- Tumormasse, Tumorstadium und Tumorausbreitung
- Syntheserate, Freisetzungsrate und Exprimierung des Markers
- Blutversorgung und Nekrosegrad des Tumors
- Abbaurate des Markers (Halbwertszeit des Markers und Marker-Ausscheidung (Leberfunktion, Cholestase, Nierenfunktion, Immunkomplexbildung))
Die klinische Relevanz eines Tumormarkers wird definiert durch die diagnostische
- Sensitivität: Kranke richtig erkannt (richtig positive Befunde in % der richtig positiven + falsch negativen Befunde)
- Spezifität: Nicht-Kranke richtig erkannt (richtig negative Befunde in % der richtig negativen + falsch positiven Befunde)
- Treffsicherheit: Kranke und Nicht-Kranke richtig erkannt (richtig positive + richtig negative Befunde in % des Gesamtkollektivs)
Ein "idealer" Tumormarker sollte demnach folgende Anforderungen erfüllen:
- Hohe Sensitivität: möglichst geringe Häufigkeit falsch "normaler" Testergebnisse; d. h. eine hohe Sicherheit, schon geringste Mengen maligner Zellverbände zu erkennen.
- Hohe Spezifität: möglichst geringe Häufigkeit falsch pathologischer Befunde; d. h. eine hohe Sicherheit, "gesund" und "krank" zu unterscheiden, sowie eine hohe Malignom- und Organspezifität.
- Gute Korrelation zwischen Marker-Konzentration und Tumormasse.
- Gute Anzeige eines Therapieeffektes in der Verlaufskontrolle
- international standardisierte Bestimmungsmethode.
Indikationen zur Tumormarker-Bestimmung
TM sind geeignet zur Verlaufsbeobachtung, Therapiekontrolle und Rezidiv-Früherkennung. Dabei sind sie den derzeitigen bildgebenden Verfahren, die Tumormassen erst ab ca. 1 cm Durchmesser erfassen, überlegen. Für ein Tumorscreening, d. h. Untersuchung Gesunder zur Frühentdeckung eines Malignoms, sind die meisten bisher bekannten TM wegen ungenügender Sensitivität (im Malignom-Frühstadium noch nicht erhöht), mangelnder Organ- oder fehlender Tumorspezifität (auch bei benignen Erkrankungen oder Gesunden nachweisbar) ungeeignet.
Die Tumor-Verlaufsbeobachtung nach/unter Therapie setzt mindestens einen Tumormarker-Wert vor Therapie voraus und erfolgt durch wiederholte Bestimmung der relevanten Marker. Die Kontrollzeitpunkte variieren je nach TM. Stetig ansteigende TM-Konzentrationen können ein Rezidiv oft schon 3 bis 12 Monate vor der klinischen Manifestation ankündigen (Tumormarker-Kinetik!). Bei "markernegativen" großen Primärtumoren oder Fernmetastasen ist auch später/posttherapeutisch keine Bildung des Markers zu erwarten und eine Kontrolle ist deshalb nicht sinnvoll.
Für die Bewertung der Verlaufskontrolle und die Festlegung der Kontrollzeitpunkte muss die biologische Halbwertzeit (HWZ) der Marker beachtet werden. Die TM-Verlaufskurve berechtigt Rückschlüsse auf den Therapieerfolg zu ziehen oder eine klinische Verdachtsdiagnose zu stellen. Zur Beurteilung einer TM-Verlaufskurve sind mindestens drei gleichsinnig veränderte Markerwerte, mit jeweils 20 % Konzentrationsdifferenz zum Vorwert, in angemessenem Abstand (HWZ des Markers) von durchschnittlich 3 bis 4 Wochen erforderlich.
Bei Verdacht auf ein Tumorrezidiv und/oder Metastasierung müssen alle verfügbaren diagnostischen Verfahren wie Endoskopie, Sonographie, (Immun-) Szintigraphie oder Computertomographie herangezogen werden, um den Prozess lokalisieren zu können. Der Zeitgewinn (lead-time) von oft mehreren Monaten durch eine TM-gestützte Nachsorge kann für weitere therapeutische Eingriffe, z. B. Second-look-Operation, genutzt werden, obwohl eine klinisch-apparative Lokalisation des Rezidivs oder der Metastasen noch nicht möglich ist.
Unter Radiatio kann es zu transitorischen TM-Erhöhungen kommen. Ebenso kann unter zytostatischer Therapie die TM-Verlaufskurve durch kurzfristige TM-Erhöhungen überlagert sein. Die Beurteilung des Therapieeffektes erfordert unter diesen Umständen große Erfahrung. Deshalb sollten Markerkontrollen immer kurz vor einer folgenden Therapie erfolgen.
Tabellen Einsatz von Tumormarkern |