Infektionsserologie (Allgemeine Hinweise)

Kategorie Lexikon
Stand13.07.2009
Abrechenbarkeit EBM
Zusatzinformation
Hintergrund
Die Infektionsserologie hat zum Ziel, erregerspezifische Antikörper (AK) im Patientenserum nachzuweisen. Sie liefert somit indirekte Hinweise auf eine bestehende oder stattgehabte Infektion mit einem spezifischen Erreger.  
 
Die Antikörper-Reaktion
Bei Primärinfektion mit einem spezifischen Erreger führt der erstmalige Antigenreiz in der Regel nach 3 - 6 Tagen zu einer exponentiellen Konzentrationszunahme von AK der Klasse IgM im Serum (primäre Immunreaktion). Es können jedoch auch akute Infektionen ohne IgM-AK-Bildung vorkommen. Einige Tage bis 1-2 Wochen später steigt auch die Konzentration der IgA- und IgG-AK an. Während die IgM- und IgA-AK in der Regel in den folgenden 2 - 6 Monaten wieder abnehmen, bleiben die IgG-AK im Verlauf über Monate bis Jahre, oft auch lebenslang nachweisbar. Tritt eine Infektion mit dem gleichen Erreger bzw. Antigen erneut ein, so steigen die IgA- und IgG-AK wesentlich schneller und höher an als bei Erstinfektion.
 
Aviditätsreifung der IgG-AK
Im Verlauf der AK-Reaktion findet eine Reifung der IgG-AK statt, bei der die Bindungsstärke zunimmt (Aviditätsreifung). Die Bestimmung der Avidität der IgG-AK erlaubt so bei einigen Infektionen, z. B. Toxoplasmose, CMV-Infektion oder bei fehlender IgM-Antikörperbildung, den Infektionszeitpunkt näher einzugrenzen. Eine hohe Avidität schließt eine akute Infektion aus.
 
Nachweismethoden
Das Methodenspektrum der Infektionsserologie ist vielfältig. Am häufigsten kommen quantitative Immunoassays zum Einsatz, bei denen der Nachweis der erregerspezifischen AK z. B. mittels Enzymtechnik (ELISA), Chemilumineszenz (CLIA) oder Fluoreszenz (ELFA) erfolgt. Mit diesen Verfahren können IgM-, IgA- und IgG-AK getrennt nachgewiesen werden. Eine Differenzierung der nachgewiesenen AK in Bezug auf ihre jeweilige Antigenspezifität kann mittels Immunoblotverfahren erfolgen. Hierbei werden zunehmend rekombinante Erregerantigene auf den Blotstreifen eingesetzt, die eine höhere Spezifität als native Antigene besitzen. AK gegen spezielle Infektionserreger lassen sich ferner mittels Immunfluoreszenztechniken nachweisen, bei denen die Reaktion des Patientenserums gegenüber den jeweiligen auf Objektträgern fixierten Erregerantigenen untersucht wird.
Bei Komplementbindungsreaktionen, indirekter Hämagglutination und Agglutinationstests werden im Gegensatz zu Immunoassays meist AK der IgM- und IgG-Klasse gemeinsam erfasst, ohne dass eine Differenzierung möglich ist. Die ermittelten Titer geben die höchste Verdünnung an, bis zu der noch AK nachweisbar sind. Aufgrund ihrer geringen Spezifität werden diese Methoden nur noch bei wenigen Fragestellungen eingesetzt.  
 
Bedeutung von IgM-, IgA- und IgG-AK
Nachweisbare bzw. erhöhte IgM-AK, bei einigen Erregern auch IgA-AK, weisen in der Regel auf eine akute, bestehende oder kürzlich abgelaufene Infektion hin. Es ist jedoch zu beachten, dass IgM-AK gegenüber bestimmten Erregern, z. B. Borrelien, auch über Monate bis Jahre persistieren können. Beim Neugeborenen und Feten sprechen erregerspezifische IgM-AK für eine peri- oder pränatale Infektion, da IgM-AK nicht plazentagängig sind. IgG-AK zeigen einen erfolgten Kontakt mit dem jeweiligen Erreger an, ohne dass der Infektionszeitpunkt genau bestimmt werden kann, und lassen bei einigen Infektionen die Immunitätslage beurteilen. In Verlaufskontrollen ansteigende IgG-AK sprechen für eine kürzliche Infektion, Reinfektion oder, bei einigen Erregern, auch für eine Reaktivierung.
 
Polyklonale IgM-Stimulation
Infektionen mit einigen Erregern, insbesondere EBV, CMV, Parvovirus B19 und Mycoplasma pneumoniae, können die B-Lymphozyten so stimulieren, dass polyklonale IgM-AK gebildet werden, die die IgM-AK-Nachweise gegenüber mehreren Erregern positiv ausfallen lassen. In diesem Fall ist eine detaillierte Bewertung der serologischen Befunde erforderlich.
  
Verlaufsuntersuchungen
Aufgrund der oben beschriebenen AK-Dynamik ist eine einzelne Serumprobe, die im Akutstadium einer Erkrankung gewonnen wurde, häufig nicht geeignet, eine Infektion nachzuweisen. Es sollte grundsätzlich nach 1 - 2 Wochen eine Verlaufskontrolle erfolgen, um eine Serokonversion oder einen deutlichen Anstieg der AK nachweisen zu können.
 
Einschränkungen der Serologie
Erhöhte AK-Konzentrationen oder -Titer ohne Vorliegen einer entsprechenden Infektion können auch verursacht sein durch Kreuzreaktionen (AK gegen ähnliche Antigene oder Erreger), sog. Durchseuchungstiter (persistierende IgG-AK als Zeichen einer früher durchgemachten Infektion), Gabe von Immunglobulinen sowie durch vorhergehende Immunisierungen.
Eine fehlende oder verminderte AK-Bildung findet sich u.a. bei Immunsuppression, HIV-Infektion, Säuglingen oder im hohen Alter.
 
Erregerspezifischer Liquor/Serum-AK-Index
Bei klinischem Verdacht auf zerebrale Infektionserkrankung, wie z. B. Neuroborreliose, Neurolues, VZV-Vaskulitis, Masern-Enzephalitis etc., können erregerspezifische AK auch im Liquor bestimmt werden. Im Serum zirkulierende AK können jedoch grundsätzlich in den Liquorraum übertreten, wobei die Dynamik u.a. von der Größe der AK abhängt (IgG-AK treten schneller über als IgM-AK). Ein positiver Nachweis erregerspezifischer AK im Liquor lässt somit nicht direkt auf eine intrathekale Produktion der AK schließen. Zum Nachweis oder Ausschluss einer intrathekalen, erregerspezifischen AK-Synthese müssen die AK gleichzeitig im Serum und im Liquor bestimmt werden und mit den Proteinkonzentrationen (IgG, IgM, Albumin, Reiberschema) in Beziehung gesetzt werden. Der hierbei berechnete erregerspezifische AK-Index (ASI, Normwert 0,7 - 1,5) gibt an, ob im Liquor nachweisbare AK intrathekal gebildet wurden (ASI > 1,5) oder nur aus dem Serum in den Liquorraum übergetreten sind (ASI < 1,5). Ein Nachweis intrathekal gebildeter AK ist jedoch nicht mit einer akuten Infektion gleichzusetzen, da intrathekal produzierte AK frühestens eine Woche nach Infektion auftreten und bei einigen Erkrankungen, z. B. Neuroborreliose und Neurolues, über lange Zeit (Monate bis Jahre) nachweisbar bleiben können.