Erreger
Die Borreliose wird durch Borrelia burgdorferi sensu lato (umfasst B. Burgdorferi sensu stricto, B. garinii, B. afzelii, B. spielmanii), zu den Spirochäten gehörende Bakterien, verursacht. Am häufigsten kommt in Deutschland B. Burgdorferi sensu stricto vor. Eine Neuroborreliose wird gehäuft durch B. garinii hervorgerufen. Für die Acrodermatitis chronica atrophicans ist B. afzelii der einzige Erreger.
Infektionsweg und Verbreitung
Die Übertragung erfolgt durch Borrelien-infizierte Zecken (vor allem Ixodes ricinus). In Deutschland sind 5 - 35 % der Zecken mit Borrelien infiziert. Die Zecken sind bis in Höhen von ca. 2000 m beheimatet. Das Risiko einer Infektion steigt mit der Dauer der Saugezeit der Zecke. Die Serokonversionsrate (Nachweis spezifischer Antikörper) nach Zeckenstich beträgt in Deutschland 3 - 6 %, aber nur nach 0,3 bis 1,4 % der Zeckenstiche tritt eine klinisch manifeste Erkrankung auf. Die Seroprävalenz steigt mit dem Alter und beträgt bei 17-Jährigen in Deutschland bereits 7 %, bei Erwachsenen je nach Wohnort bis zu 15 % und bei besonders Exponierten (Waldarbeiter, Förster etc.) bis zu 25 %.
Klinik
Die Mehrzahl der Infektionen verläuft klinisch asymptomatisch.
- Stadium I (Tage bis Wochen nach Zeckenstich): Erythema migrans (häufigste Manifestation der Borreliose), meist um die Infektionsstelle gelegen, jedoch auch atypische Manifestationen.
- Stadium II (Wochen bis 6 Monate nach Zeckenstich): am häufigsten Neuroborreliose. Diese äußert sich bei Erwachsenen meist als Meningoradikulitis (Bannwarth-Syndrom) mit lymphozytärer Meningitis, Radikulitis, Hirnnervenausfällen, radikulären Schmerzen und Paresen.; bei Kindern meist akute periphere Fazialisparese oder lymphozytäre Meningitis. Seltener Borrelien-Lymphozytom (meist Ohrläppchen oder Brustwarze), Karditis oder Arthritis.
- Stadium III (mehr als 6 Monate bis Jahre nach Zeckenstich): am häufigsten chronisch-progrediente Meningoenzephalitis, chronische Mono- oder Oligoarthritis (meist Knie- oder Ellenbogengelenk, schubweiser Verlauf, großer Erguss, aber geringe Entzündungszeichen) oder Acrodermatitis chronica atrophicans, selten Myo-/Perikarditis, Iritis, Arteriitis.
Diagnostik
Die mikrobiologische Diagnostik basiert auf dem Nachweis Borrelien-spezifischer Antikörper gemäß einer Stufendiagnostik. Im Suchtest werden IgM- und IgG-AK im Serum mittels Immunoassay bestimmt, als Bestätigungstest dient der IgM- und IgG-Immunoblot. Es wird ein rekombinanter DotBlot eingesetzt, der sowohl AK gegen früh exprimierte Borrelien-Antigene (OspC, VlsE) als auch gegen spät im Infektionsverlauf exprimierte Antigene erfasst.
Besondere Hinweise zur serologischen Borreliose-Diagnostik:
- Aufgrund der hohen Seroprävalenz in der Bevölkerung (je nach Freizeitverhalten und beruflicher Exposition 10 - 30 %) ist eine Borreliose-Diagnostik nur bei Vorliegen Borreliose-typischer Symptome sinnvoll!
- Der Bestätigungstest wird bei grenzwertigem oder positivem Suchtest stets durchgeführt, um die Spezifität der im ELISA nachgewiesenen AK zu bestätigen und zu differenzieren.
- Borrelien-spezifische AK sind bei der Borreliose im Stadium I in bis zu 70 %, im Stadium II in bis zu 90 % und im Stadium III in ca. 95 % der Fälle nachweisbar.
- Auch nach erfolgreicher Therapie einer Borreliose können Borrelien-spezifische IgG-AK und z.T. auch IgM-AK über Jahre nachweisbar bleiben. Kontrolluntersuchungen nach Therapie sind daher nicht sinnvoll.
- Die Höhe der AK-Konzentration korreliert nicht mit der Schwere der Erkrankung oder dem Therapieerfolg.
Spezielle Diagnostik bei Verdacht auf Neuroborreliose
- Es sollten Borrelien-spezifische IgM- und IgG-AK im Serum und Liquor untersucht werden.
- Bei Nachweis spezifischer AK im Liquor ist der Nachweis einer intrathekalen AK-Synthese (Borrelien-spezifischer AK-Index) indiziert.
- Ein erhöhter Borrelien-spezifischer AK-Index kann nach erfolgreich therapierter Neuroborreliose über Jahre nachweisbar bleiben.
Nachweis von Borrelien-DNA
- Ein DNA-Nachweis im Liquor ist sinnvoll bei klinischem Verdacht auf frühe Neuroborreliose und nicht eindeutigem serologischen Befund.
- Ein DNA-Nachweis im Gelenkpunktat bzw. in der Synovia-Biopsie ist sinnvoll bei Verdacht auf chronische Borrelien-Arthritis und nicht eindeutigem serologischen Befund.
Therapie und Prophylaxe
Die antibiotische Therapie einer klinisch manifesten Borreliose erfolgt gemäß Leitlinien. Findet sich bei Verdacht auf Borreliose kein Ansprechen auf die antibiotische Therapie (z. B. Rückgang der Schmerzen bei Meningoradikulitis), ist eine Borreliose unwahrscheinlich.
Eine prophylaktische Antibiotika-Gabe nach Zeckenstich ist nur bei langer Saugezeit der Zecke (über 24 h) zu erwägen, wird in Deutschland jedoch derzeit nicht empfohlen.
Meldepflicht
Erkrankung sowie Tod an Borreliose sind meldepflichtig gemäß Landesverordnungen in Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen. |
Nau R, Christen H-J, Eiffert H. Lyme-Borreliose - aktueller Kenntnisstand. Dtsch Ärztebl 106: 72-82, 2009. (19)
Wilske B, Steinhuber R, Bergmeister H, Fingerle V, Schierz G, Preac-Mursic V, Vanek E, Lorbeer B. Lyme-Borreliose in Süddeutschland: Epidemiologische Daten zum Auftreten von Erkrankungsfällen sowie zur Durchseuchung von Zecken (Ixodes ricinus) mit Borrelia burgdorferi. Dtsch Med Wochenschr 1: 1730-6, 1987. (26)
Kaiser R, Kölmel HW, Pfister HW, Rauer S, Wilske B. Neuroborreliose. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, 3 Auflage, Thieme Verlag 2005. (27)
Robert-Koch-Institut. Seroprävalenz der Lyme-Borreliose bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Epidem Bull 14: 113-20, 2012. (146)
Wormser GP, Dattwyler RJ et al: The clinical assessment, treatment, and prevention of Lyme disease, human granulocytic anaplasmosis and babesiosis: Clinical practice guideline by the infectious diseases society of America. IDSA Guideline 2006, 43, 1089-1134 |